Der zweite „Schulz-Effekt“

Startseite/Blog/Der zweite „Schulz-Effekt“

Der zweite „Schulz-Effekt“

zum Ausgang der Landtagswahl am 15.10.2017

Der Wahlausgang der Landtagswahl 2017 in Niedersachsen mit 4,6% der Stimmen ist für die LINKE. natürlich enttäuschend, auch wenn ein Stimmenzuwachs von immerhin 1,5% gegenüber der letzten Landtagswahl erzielt werden konnte. Das Oldenburger Stadt-Ergebnis mit 9,4 % Zweitstimmen und 10,1 % Erststimmen kann sich imerhin sehen lassen.

Was vor allem noch näher zu untersuchen ist: Warum ist es uns nicht gelungen, das gute Stimmenergebnis von 7,0% bei der Bundestagswahl in Niedersachsen zu wiederholen? Warum sind viele unserer Wählerinnen und Wähler zu Hause geblieben oder haben SPD doch gewählt?

Die Grafiken über Wählerwanderungen helfen da nicht weiter, weil sie sich immer auf die vorangegangene Landtagswahl beziehen, nicht auf die Bundestagswahl drei Wochen vorher.

Wie konnte es der SPD gelingen kurz vor der Landtagswahl einen so deutlichen Stimmenschub zu erzielen, der sie im Ergebnis weit vor der CDU landen ließ, ganz anders als die „Demoskopen“ mit ihrem ewigen „Kopf-an-Kopf-Rennen“ vorhergesagt hatten?

Landespolitisch hatte sich in den letzten drei Wochen vor der Landtagswahl eigentlich nicht viel geändert. Die Erklärung für den Stimmengewinn der SPD bei der Landtagswahl kann deshalb nur im Ergebnis der Bundestagswahl selbst liegen:

Wahrscheinlich wollten viele sozialdemokratisch eingestellte Wählerinnen und Wähler die SPD dann doch nicht so abgestraft sehen, wie es nach der Bundestagswahl aussah. Es trat ein Mitleid-Effekt ein, der das Pendel wieder zur anderen Seite schwingen ließ. Die Erklärung von Schulz nach der Bundestagswahl in die Opposition zu gehen und die Partei von nun an zu erneuern, hat der SPD einen Vertrauensvorschuss eingebracht, den sie zur Landtagswahl in Niedersachsen nutzen konnte. So wurde die Landtagswahl zur Folie, auf der Hoffnungen sozialdemokratisch eingestellter Wählerinnen und Wähler abgebildet werden konnten.

Eine ähnliche Erscheinung hatte sich Anfang des Jahres schon einmal abgespielt, als der sog. „Schulz-Effekt“ eintrat und Hoffnungen auf eine neue SPD sich in den Umfragen in einem Stimmenanteil von bis zu 32 % niederschlugen. Noch im Januar 2017 lag die SPD bei 23 %. Nachdem Schulz den Vertrauensvorschuss nach und nach verspielte, weil er seine „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ nicht durch konkrete politische Vorschläge zu untersetzen vermochte und z.B. die Frage der Verteilung von Einkommen und Vermögen aussparte, sank der Stimmenanteil der SPD ab April 2017 wieder in den Bereich um 20 bis 25 % .

In dieser Zeit des „Schulz-Effektes“ wirkte sich der Vertrauensvorschuss zu Gunsten der SPD auch nachteilig auf die LINKE aus. In den Umfragen landete sie bei 7 bis 8 % und konnte in den Umfragen erst ab Juni wieder auf 9 bis 10 % aufholen, als sich abzeichnete, dass Schulz die alte SPD-Politik ungebrochen fortsetzen wollte.

So ähnlich wird es auch in Niedersachsen gewesen sein. Der Stimmenzuwachs der SPD ging wohl auch zu einem kleineren Teil zu Lasten der LINKEN, was ausreichte die Partei unter 5 % zu halten. Weil hat es vermocht, Hoffnungen auf eine geänderte SPD-Politik auf sich zu beziehen. Kurz vor der Wahl hatte er auch noch alte Forderungen der LINKEN übernommen und sich für Mindeststandards in der Krankenpflege oder einen zusätzlichen gesetzlichen Feiertag ausgesprochen.

Das Ganze gepaart mit dem erklärten Ziel die LINKE unter 5 % zu halten und medial eine sich selbst erfüllende Prophezeiung zu inszenieren. Letztlich hatte er damit Erfolg, aber auch ein Eigentor geschossen, weil nur mit einer linken Fraktion im Landtag eine Regierung mit CDU– oder FDP-Beteiligung hätte verhindert werden können. Jetzt muss Weil die Suppe auslöffeln, die er sich selbst ohne Not eingebrockt hat. Der Vorgang zeigt aber auch, dass der angekündigte Erneuerungsprozess der SPD tatsächlich noch nicht begonnen hat. Es wurden nur neue Projektionsfolien für Hoffnungen bereitgestellt. Das hält nicht lange an – wie beim ersten „Schulz-Effekt“.

Hans-Henning Adler

2017-10-16T15:26:42+00:00