Für ein humanitäres Einwanderungsgesetz

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Für ein humanitäres Einwanderungsgesetz

DIE LINKE hat in ihrem Parteiprogramm geschrieben: „Menschen, die vor Menschenrechtsverletzungen, Kriegen und politischer Verfolgung geflohen sind, dürfen nicht abgewiesen oder abgeschoben werden. Wir fordern die Wiederherstellung des Grundrechts auf Asyl und kämpfen gegen die Illegalisierung von Flüchtlingen, gegen Abschiebungen, jede Form von Sondergesetzen wie die Residenzpflicht sowie gegen Sammellager. Die Abschottungspolitik der EU ist unmenschlich – wir wollen keine Festung Europa. DIE LINKE richtet ihre Flüchtlingspolitik nach Humanität und Menschenrechten, so dass der Schutz von Menschen in Not im Vordergrund steht und nicht ordnungspolitische oder ökonomische Überlegungen.“ (Programm Seite 52)

Im Gegensatz zu dieser präzisen Sichtweise auf die tatsächlich bestehenden Probleme hieß es im Wahlprogramm zur Bundestagswahl sehr verkürzt plakativ: „ Wir unterstützen die Forderungen nach einem sofortigen Stopp der Abschiebungen und einem Bleiberecht für alle.“ (Wahlprogramm S.12)

Wir fordern offene Grenzen für alle Menschen.“ hatte DIE LINKE. auch im Parteiprogramm auf Seite 52 geschrieben. Die Formulierung „offene Grenze“ ist auch nicht

Romakinder im Kosovo

das Problem, weil das ja nur bedeutet, dass niemand am Kommen gehindert werden soll und das Gegenteil ja geschlossene Grenzen bedeutet hätte, also Grenzkontrollen und konsequent zu Ende gedacht dann auch Grenzzäune nach der Vorbild der Grenze USA-Mexiko, die ja unter Trump noch weiter ausgebaut werden soll.

 

Aber „Bleiberecht für alle“ ist schon eine Unterschied zu der Formulierung des Parteiprogramms, die sich gegen ein Einwanderungsgesetz richtet, das nur den Nützlichen ein Bleiberecht sichert und der Forderung, Menschen in Not, die nicht als Flüchtlinge anerkannt wurden, nicht zurückzuschieben.

Natürlich gibt es unter denjenigen, die sich als Flüchtlinge melden, auch solche, die nicht politisch verfolgt sind, nicht vor Krieg oder Bürgerkrieg fliehen und auch nicht aus Gründen der Not über ihre soziale oder gesundheitliche Lage ihr eigenes Land verlassen haben. Für diese Menschen, die ja faktisch Einwanderer sind, sollte es ein Gesetz geben, das ihnen die Chance gibt hier einen legalen Aufenthaltsstatus zu finden, was aber auch einschließt, dass Anträge nach diesem Gesetz im Einzelfall auch abgelehnt werden können.

Wenn man sich darüber Gedanken macht, nach welchen Kriterien ein solches Gesetz formuliert werden könnte, das über die von anderen Partien geforderte Nützlichkeit etwa zur Linderung des Fachkräftemangels hinausgeht, ist es nützlich sich das anzusehen, was es schon gibt und was entsprechend weiterzuentwickeln wäre.

Ein erster Anhaltspunkt ist die bestehende Sonderregelung für jüdische Einwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjet-Union. Für die gilt nämlich, dass sie jüdischer Abstammung sein müssen, Grundkenntnisse der deutschen Sprache ( Europäischer Referenzrahmen A1) haben sollten und „eine positive Integrationsprognose nachweisen. Diese erstellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf der Grundlage des Antrages. Das BAMF bindet hierbei das familiäre Umfeld ein. Kriterien sind unter anderem Sprachkenntnisse, Qualifikation und Berufserfahrung sowie das Alter der Zuwanderer.“

Diese Sonderregelung für Mensch jüdischer Herkunft hat natürlich einen geschichtlichen Hintergrund und ist deshalb ja auch berechtigt. Zu fragen ist aber auch, warum es eine vergleichbare Regelung nicht für die zweitgrößte Menschengruppe gibt, die in den Konzentrationslagern systematisch ermordet wurde, also die Sinti und Roma, im damaligen Sprachgebrauch: „Zigeuner“.

Diese Volksgruppe wird gegenwärtig als schutzsuchende Gruppe von deutschen Behörden und Gerichten in besonders schäbiger Weise behandelt. Ihre Anträge auf Anerkennung als Flüchtlinge werden regelmäßig abgelehnt.

Der Flüchtlingsrat nrw e.V. schreibt dazu am 9.12.2014:

Im Sommer 2013 treffen wir dort auf bittere Armut, auf Menschen, die Kleidung und Papier in Müllcontainern suchen, um diese wieder zu verkaufen. Sie sammeln weggeworfenes Essen, ganze Familien leben davon. Überall drohen Anfeindungen und Angriffe. Nichtsdestotrotz wurde Serbien am 6. November 2014 von der Bundesrepublik zum »sicheren Herkunftsland« deklariert.
Im Kosovo treffen wir Menschen, die überhaupt nichts haben. Die hungern und nur zögernd davon erzählen, weil sie sich dafür schämen oder es für selbstverständlich halten. Deren Leben hier zu Ende gegangen zu sein scheint, deren Pläne und Träume jäh zerschlagen wurden – weil sie aus Deutschland abgeschoben worden sind. Viele können an nichts mehr anknüpfen, weil der Krieg 1998/1999 sie nicht nur vertrieben, sondern vieles zerstört und alles verändert hat. Von den Milliarden, die nach dem Krieg in dieses winzige Stück Staat geflossen sind, haben die Menschen, auf die wir treffen, nicht profitiert. Die Zuordnung zu einer Gruppe oder Minderheit trennt bis heute. In der geteilten Stadt Mitrovica kommt es zwischen SerbInnen und AlbanerInnen immer wieder zu Auseinandersetzungen. Roma sind im ganzen Land Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt.“

Bei den Roma aus dem Kosovo handelt es sich zweifelsfrei um Menschen in Not, die aus Verzweiflung nach Deutschland kommen, hier aber nicht als Flüchtlinge anerkannt werden und noch nicht einmal subsidiären Schutzstatus erhalten.

Ein anderer Anhaltspunkt ist die gegenwärtige Härtefallregelung nach § 23a des Aufenthaltsgesetzes. Dort heißt es aber schon im Gesetz einschränkend: „Die Befugnis zur Aufenthaltsgewährung steht ausschließlich im öffentlichen Interesse und begründet keine eigenen Rechte des Ausländers.“ Die Ausführungsbestimmungen der Länder hierzu sind noch restriktiver, weshalb diese Regelung gegenwärtig das Einwanderungsbedürfnis aus sozialen Härtegründen nur in Ausnahmefällen befriedigen kann. So heißt es z.B. in den Hinweisen des Niedersächsischen Härtefallkommission, dass Probleme und Gefahren im Herkunftsland nicht berücksichtigt werden.

In einem humanitären Einwanderungsgesetz müssten deshalb nach einem Punktesystem neben den bereits von anderen Parteien geforderten Kriterien wie berufliche Qualifikation und Sprachkenntnisse auch familiäre Bindungen, bisherige Integrationsleistungen und überhaupt die Zumutbarkeit einer Rückkehr ins Heimatland unter Berücksichtigung dort bestehender Probleme der gesundheitlichen Versorgung, der Diskriminierung oder anderer sozialer Probleme Beachtung finden.

Hans-Henning Adler

2017-11-08T14:23:02+00:00