Mittelfristziel: Interessenausgleich durch Machtteilung in der Wirtschaft

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Mittelfristziel: Interessenausgleich durch Machtteilung in der Wirtschaft

                                                                            Dietmar Bartsch auf dem Leipziger Parteitag 2018: „Aufgabe der LINKEN ist es, den Ausgleich zu organisieren“

Geht man nach dem Ergebnis von Umfragen, dann haben programmatische Zielvorstellungen der LINKEN beachtliche Zustimmungswerte. So ist für 52 % der Deutschen der Kapitalismus negativ behaftet und immerhin jede und jeder Dritte gab in einer Infratest-Umfrage an, dass sie oder er sich wirkliche Demokratie nur ohne Kapitalismus vorstellen könne.

Der Widerspruch zwischen solchen Umfragen und den dann in Sachsen, Brandenburg oder bei der EU-Wahl 2019 doch enttäuschenden Wahlergebnissen wird deshalb nicht durch die Kritik der formulierten Wahlprogramme aufgelöst werden können, es muss an etwas Anderem liegen.

Auch das Parteiprogramm beschreibt Schritte für einen politischen Richtungswechsel (Arbeitszeitverkürzung, höherer Mindestlohn, Vermögenssteuer, sozial-ökologischer Umbau, friedliche Außenpolitik usw.) Zwischen diesen Reformprojekten und der sozialistischen Zielsetzung klafft aber eine programmatische Lücke, es fehlt eine Beschreibung einer mittelfristigen Zielvorstellung, die näher an den gegenwärtigen ungelösten Problemen des in der Krise befindlichen kapitalistischen Systems liegt und deshalb in den Augen der Menschen auch eher durchsetzbar erscheint. Im Parteiprogramm heißt es dazu lediglich, dass die angestrebte „herrschaftsfreie Gesellschaft“ nur „über den Weg einer umfassenden Demokratisierung aller Lebensbereiche möglich ist“ ( S. 28) und „eine grundlegende Veränderung der herrschenden Eigentums-, Verfügungs- und Machtverhältnisse“ erfordert (S. 29). Das ist zu wenig.

Klaus Steinitz:„Eine grundlegende Schwäche der Linken besteht darin, dass es ihr nicht gelingt, die verschiedenen konkreten Projekte für Reformen im Kapitalismus mit einer überzeugenden Transformationsstrategie zu einer sozialistischen Gesellschaft zu verbinden.“ ( Aus Erfahrungen lernen – Beilage zur Zeitschrift Sozialismus 12/2019 S. 21) Hierin sieht er auch einen entscheidenden Grund dafür, dass sich zuspitzende Konflikte nicht zu einer Stärkung linker Kräfte führen sondern Impulse für rechtsextreme Kräfte hervorrufen (ebenda S. 4f.) In linken Publikationen wird dazu durchaus vermerkt, dass sich die Linkspartei programmatisch positiv auf den demokratischen Sozialismus bezieht, „doch verbindet sie damit bisher nur vage Vorstellungen, die sich zudem in ihrer aktuellen Politik nicht wiederfinden.“ (Jörg Goldberg u.a.: Zu den Ergebnissen der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, Zeitschrift Z Dez. 2019 S. 100).

Kommunistische Parteien wie die DKP haben in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts auf der Basis der Analyse der gegenwärtigen Entwicklungsetappe des Kapitalismus als „staatsmonopolistischer Kapitalismus“ versucht eine mittelfristige Etappe als „antimonoplistische Demokratie“ zu beschreiben. Sie beruhte auf einer Zielvorstellung praktisch alle Großunternehmen in öffentliches Eigentum zu überführen und war deshalb auch nur als Eingangstor für den Übergang in eine sozialistische Umwälzung gedacht. Der Begriff des staatsmonoplistischen Kapitalismus war gar nicht so ungeeignet, die Verschmelzung der Macht der monopolistischen Großunternehmen, vor allem des Finanzkapitals, mit der Macht des Staates zu beschreiben und wurde durch die Finanzkrise 2008 und den Weg seiner Überwindung ja auch bestätigt. Die Vorstellung der antimonopolistischen Demokratie ist aber schon 1990 von Jörg Huffschmid kritisiert worden (Zeitschrift Z Nr. 1 S.74ff. ) Er schrieb: „Kommunistische Parteien kapitalistischer Länder haben bis heute viele Programme und Vorschläge zur Veränderung von Strukturen und Politik ihrer Länder erarbeitet und verbreitet. Der Aufbau derartiger Vorschläge ist fast immer gleich: Einer Bestandsaufnahme der Probleme folgen vernünftige und realistische Reformvorschläge. Gegen Schluß erfährt das ganze seine antimonopolistische Einordnung, und die letzten 10 bis 20 Seiten bleiben für die sozialistische Perspektive reserviert.“ (S.77) Mit dieser Strategie wurden Machtfragen angesprochen, die tatsächlich das politische Leben und den vorhandenen gesellschaftlichen Diskurs über Alternativen gar nicht berücksichtigten. Die antimonopolistische Demokratie war deshalb – in den Worten von Huffschmid – eine „leere Abstraktion“.

Besser wäre es doch mittelfristige Ziele zu beschreiben, die aus heutiger Sicht viel eher vorstellbar sind und die deshalb auch nachvollzogen werden können. Dabei soll und muss es durchaus um Machtfragen gehen, aber anders:

Menschen wehren sich gegen Unrecht, führen Klassenkämpfe gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg. Häufig tun sie es aber auch nicht. Sie nehmen dann Verhältnisse hin, gegen die sie sich eigentlich auflehnen müssten. Jahrhunderte lang haben Sklaven ihr Schicksal erduldet, Sklavenaufstände waren eher die Ausnahme in der Geschichte. Und heute? Wie kann es sein, dass es so wenig Widerstand gegen die immer größer werdende Schere zwischen arm und reich gibt und sich Menschen durch Hartz4-Schikanen drangsalieren lassen oder sich Arbeiter, die Jahrzehnte lang gewissenhaft „ihrem“ Unternehmen gedient haben, ihrem Schicksal ergeben, wenn sie auf einmal „freigesetzt“ werden?

Damit sich Menschen wehren und zu Widerstandshandlungen, Streiks, Demonstrationen oder der Wahl einer gesellschaftskritischen Partei bereit sind, müssen mindestens drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Ein Zustand muss objektiv ungerecht sein und muss auch so empfunden werden. Es muss einen Leidensdruck geben. Gleichzeitig müssen auch die Herrschenden Probleme haben, ihr System der Ausbeutung und Unterdrückung aufrecht zu erhalten. Für revolutionäre Situationen wird Lenin die Definition zugeschrieben, dass die oben nicht mehr können und die unten nicht mehr wollen.“

  2. Es darf keine Ideologie vorherrschend sein, die weis macht, dass dieses Leiden notwendig oder berechtigt ist. Im Mittelalter hatten die Unterdrückten und Ausgebeuteten der Feudalherrscher hunderte Jahre lang ihr Los ertragen, weil ihnen weis gemacht werden konnte, dass die Ordnung, der sie sich ausgesetzt sahen, „gottgewollt“ sei, außerdem wurde ihnen ein besseres Leben nach dem Tod versprochen, um die feudale Knute besser erleiden zu können. Dies hat Jahrhunderte lang funktioniert und wurde nur zeitweise durch Bauernaufstände unterbrochen. Menschen wurden im 20. Jahrhundert in zwei imperialistische Weltkriege gehetzt, weil ihnen die herrschende Ideologie etwas von „Vaterlandsverteidigung“ erzählt hatte, um die es angeblich ging. Sie haben diese Ideologie so sehr angenommen, dass sie sogar ihr eigenes Leben für diesen Wahn geopfert haben.

  3. Aber es gibt noch ein drittes Merkmal, das erfüllt sein muss, damit Menschen in Bewegung kommen und darum soll es hier gehen: Wenn etwas Unrechtes geschieht und keine Ideologie der Herrschenden dieses Unrecht rechtfertigen kann, tut sich trotzdem nichts, wenn die Beherrschten keine Änderungschance sehen. Kein Mensch ist bereit zu kämpfen, wenn er nicht von der Hoffnung, die mitunter auch eine Illusion sein kann, beseelt ist, dass sich der aufgenommene Kampf auch lohnt. Wenn der Gegner als zu stark eingeschätzt wird, lässt er es besser sein und bevorzugt individuelle Auswege.

Erst wenn diese drei Momente zusammenkommen, entsteht die Fähigkeit zum Handeln und die Aufnahmebereitschaft einer neuen linken Erzählung zuzuhören.

Nach dem Zusammenbruch des staatssozialistischen Systems sahen sich Linke einem zunehmend international organisierten Kapitalismus, einer auch in die Köpfe der Beherrschten eingenisteten neoliberalen Ideologie, vor allem aber auch einer weitgehenden Resignation ausgesetzt, die Verhältnisse erfolgreich zu überwinden, die sich auf eine das Profitprinzip beruhende Ordnung stützen, die auf Naturzerstörung, der verschärften Ausbeutung, Krieg und Unterdrückung von Menschenrechten in zahlreichen Ländern besteht.

Wie kann man machtvoll dagegen halten? Reicht es, die Unterdrückten und Ausgebeuteten über ihr Schicksal und die gesellschaftlichen Ursachen dafür aufzuklären, damit Klassenbewusstsein entsteht oder muss nicht noch etwas hinzukommen?

Das Gegenteil von Macht ist immer noch Ohnmacht. Deshalb bedarf es einer macht-bewussten Vision und macht-orientierten Handels (Michael Brie: Überleben – eine prima Vision in Freitag vom 19.6.1992 S. 14).

Entscheidend ist, dass glaubwürdig dargestellt werden kann, dass die Macht des großen Kapitals gebrochen werden kann, und zwar national wie international. Dazu gehört eine Strategie der Machtteilung.

Das Prinzip ist eigentlich weitgehend bekannt: Durch die Verschränkung von Kompetenzen, durch die Bildung sich gegenseitig kontrollierender Machtorgane kann eine Machtkonzentration an der Spitze einer Institution entgegengewirkt und damit mehr Freiheit für die Individuen geschaffen werden. Die bürgerlich-demokratische Verfassung nennt das Prinzip Gewaltenteilung.

Der Gewaltenteilung liegt die Idee zugrunde, dass „eine Gewalt die andere hindere“ (Montesquieu), um so der Freiheit des Individuums zu seinem Recht zu verhelfen. Der Gedanke war in einer Situation geboren, in der die Abschaffung der absolutistischen Macht unvorstellbar war, so dass ein Weg gesucht werden musste, diese Macht erst einmal einzuschränken.

Das Grundprinzip kommt in der Teilung der Gewalten Legislative, Exekutive und Judikative zum Ausdruck. Auch dem Föderalismus liegt letztlich der gleiche Grundgedanke zugrunde. Die Verteilung der staatlichen Macht auf die verschiedenen Ebenen Bund und Länder begrenzt die Machtkonzentration. Schließlich ist auch die kommunale Selbstverwaltung mitunter eine Gegenmacht, die sich gegen eine zu starke Zentralgewalt stellt. Begrenzte Kompetenzen, verteilt auf verschiedene Organe, gibt es fast in jeder Vereinssatzung.

Den Ländern des gescheiterten Staatssozialismus war dieser Gedanke fremd. Hier wurde in der Gewaltenteilung nur eine Schwächung der staatlichen Macht gesehen.

In den großen privatkapitalistischen Unternehmen finden wir diese Gewaltenteilung nicht. Diese ungeteilte Macht in der Wirtschaft bedeutet: Vorstände und Aufsichtsräte sind allein den Interessen der Aktionäre verantwortlich, die wiederum nur an der Steigerung des Aktienwertes oder der zu erzielenden Dividende interessiert sind. Deshalb ist es ein naheliegende Gedanke, die Alleinherrschaft des Kapitals durch Gewaltenteilung aufzubrechen.

Das bestehende System der Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder die Unternehmensmitbestimmung ändert an dem Prinzip der Alleinherrschaft des Kapitals nichts Grundlegendes, weil sich diese Mitbestimmung immer nur auf zweitrangige Fragen beziehen darf. Darüber wacht schon das Bundesverfassungsgericht, das in seinem bekannten Mitbestimmungsurteil die Grenzen der Mitbestimmung aufgezeigt hat:

Die die Mitbestimmung regelnde Gesetze werden noch dann als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) akzeptiert, “wenn die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht dazu führte, dass über das im Unternehmen investierte Kapital gegen den Willen aller Anteilseigner entschieden werden kann, wenn diese nicht auf Grund der Mitbestimmung die Kontrolle über die Führungsauswahl im Unternehmen verlören und wenn Ihnen das Letztentscheidungsrecht belassen wird.“

Die Schlussfolgerung aus diesem scheinbaren Dilemma kann nur sein, die Dominanz des Kapitals in den privaten Großunternehmen durch Spaltung des privaten Kapitals zu überwinden. Hierzu sind zwei Wege denkbar: Staatsbeteiligungen oder Belegschaftsanteile. Auch diese Seiten des Kapitals wären ja immer noch privates Eigentum, so dass das Mitbestimmungsurteil des Bundesverfassungsgerichts dem nicht entgegenstehen kann.

Wenn etwas Neues geschaffen werden soll, lohnt es sich zu untersuchen, ob es Derartiges in Ansätzen nicht schon gibt oder gegeben hat. Die in der Regierungszeit von Oskar Lafontaine im Saarland betriebene Stahlpolitik hatte der krisengeschüttelte Stahlindustrie mit erfolgreichen Staatsbeteiligungen aus der Krise geholfen.

Sarah Wagenknecht nennt das Beispiel des Autoherstellers Renault, an dem der französische Staat einen Anteil von 15 % hält. Dort hatte sogar der konservative Staatspräsident Sarkozy diesen Staatsanteil genutzt, um gegen Produktionsverlagerungen zu intervenieren.1 Auch über die Beteiligung einer staatlichen Bank an Wirtschaftsunternehmen, wie z.B. über die CDC, die staatliche französische Depot- und Sparkasse, die an rund 250 großen meist börsennotierten französischen Unternehmen beteiligt ist, wurde in Frankreich schon immer ein aktiver industriepolitischer Einfluss ausgeübt, um Arbeitsplätze zu sichern. (Sahra Wagenknecht: Freiheit statt Kapitalismus, Frankfurt a.M., 2011, S. 297).

Und in Niedersachsen gibt es die Beispiele Salzgitter Stahl und VW, Unternehmen, an denen das Land mit 26 % bzw. 20 % des Kapitals beteiligt ist. Bei Volkswagen schützt zusätzlich das VW-Gesetz vor feindlichen Übernahmen. Uwe Fritsch, Betriebsratsvorsitzender von VW Braunschweig, schreibt dazu: „Mit dem 20-prozentigen Anteilsbesitz und zwei Aufsichtsratssitzen des Landes Niedersachsen erweitert sich für die Arbeitnehmerseite der Gestaltungsspielraum und die mögliche Einflussnahme im Rahmen der Mitbestimmung spürbar… Eine wichtige Grundlage der qualifizierten Mitbestimmung ist die wechselseitige Anerkennung der Legitimität zentraler Ziele der beiden Akteure in den Arbeitsbeziehungen. So erkennen Arbeitnehmer- wie Unternehmerseite die grundsätzliche Gleichrangigkeit von Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung als übergreifende Unternehmensziele an (Uwe Fritsch: Mitbestimmung und Globalisierung – das Beispiel Volkswagen in Marxistische Blätter 6/2017 S. 69).

Genau genommen geht es auch nicht nur um den Interessenausgleich zwischen den Profitinteressen des privaten Kapitals und den unmittelbaren Interessen der Beschäftigten. Es geht auch um den Ausgleich mit den volkswirtschaftlichen Interessen, was bei der Autoproduktion mit den damit verbundenen klimapolitischen Problemen ja auch offensichtlich ist.

Dazu Sahra Wagenknecht: „Natürlich sind die Interessen der Mitarbeiter von Unternehmen nicht automatisch mit dem Allgemeinwohl identisch. Problematisch kann es auch hier werden, wenn das Unternehmen über allzu große Marktmacht verfügt. Ebenso werden Umweltinteressen in einem mitarbeitergeführten Konzern durchaus nicht im Selbstlauf berücksichtigt. Deshalb sollte die öffentliche Hand in jedem großen Unternehmen mit Marktmacht oder von besonderer ökologischer Relevanz zumindest über eine Sperrminorität verfügen, die den Interessen der Allgemeinheit hinreichende Mitspracherechte sichert.“ (S. 331f.)

Letztlich geht es bei den wichtigen Entscheidungen, die in einem Unternehmen zu treffen sind, immer um die Frage, wie zwischen drei gleichwertig zu berücksichtigen Interessen ein Ausgleich geschaffen wird:

Das erste Interesse ist die Wirtschaftlichkeit, die in der Zielsetzung Gewinn zu machen ihren Ausdruck findet, aber auch damit zusammenhängt, dass sich das Unternehmen am Markt behaupten muss.

Das zweite Interesse ist das der Beschäftigten an sicheren Arbeitsplätzen, guten Löhnen, Verkürzung der Arbeitszeit, human ausgestalteten Arbeitsplätzen, Gesundheitsvorsorge im Betrieb und einem Arbeitsrhythmus, der frei von Stress und Arbeitsverdichtung organisiert ist.

Das dritte Interesse spielt bei kleinen und mittleren Unternehmen nicht so eine große Rolle, wohl aber bei Großunternehmen mit entsprechender Marktmacht. Hier getroffene unternehmerische Entscheidungen haben immer Auswirkungen, die über den Betrieb und das Unternehmen hinausgehen, sie haben immer auch eine volkswirtschaftliche Komponente. Gerade allein am Gewinn orientierte Unternehmensentscheidungen können das wirtschaftliche Umfeld der Region negativ beeinflussen, die Umwelt belasten oder auch die Volksgesundheit, wenn man z.B. an die Entscheidung des Pharma-Unternehmens Grünenthal denkt, das Medikament Contergan auf den Markt zu bringen, was die Geburt von – weltweit -10.000 behinderter Kinder zur Folge hatte.

Wichtige unternehmerische Entscheidungen, wie z.B. Investitionen in die Atomenergie, sind auch schon in der Vergangenheit häufig im Zusammenwirken mit der staatlichen Entscheidungsebene gefallen, nicht nur über Genehmigungen für bestimmte Produktionsstätten, häufig auch über Subventionen, die manchmal ganz schamlos direkt als Geschenk erfolgen oder als Steuervergünstigung daherkommen, manchmal aber auch über staatlich finanzierte Forschungsmittel ausgereicht werden. Dieser Mechanismus wurde ja durchaus zutreffend als staatsmonopolistischer Kapitalismus beschrieben.

Auch wenn dieser Mechanismus gegenwärtig so ausgestaltet ist, dass die staatliche Einflussnahme dem Großkapital nützen soll und nicht das Kapital dem allgemeinen Interesse, zeigt dieser Mechanismus doch auf, dass unternehmerische Entscheidungen ab einer bestimmten Betriebsgröße – in welcher Richtung auch immer – mit den Interessen der Allgemeinheit verbunden sind.

Schon der geistige Vater der Wirtschaftsdemokratie, Fritz Naphtali, hatte sich dafür ausgesprochen, diese drei Merkmale einer gemischten Wirtschaft ins Gleichgewicht zu bringen: Danach sollen die wirtschaftliche Ertragsfähigkeit, eine nicht direkte Abhängigkeit des Unternehmens von einer demokratisch gewählten Regierung und die Heranziehung der Arbeitnehmer in die Verwaltung der so geschaffenen öffentlichen Betriebe „miteinander gemischt werden“ (Wirtschaftsdemokratie – ihr Wesen, Weg und Ziel, Frankfurt 1966, S. 83).

Der zentrale Gedanke ist: Es gilt Strukturen zu schaffen, in der jeder Akteur, um die eigenen Interessen durchzusetzen, auf andere Akteure angewiesen ist. So entsteht ein neues Interessengeflecht, das zum Interessenausgleich neigt.

Es geht immer darum, nach welchen Kriterien unternehmerische Entscheidungen getroffen werden: Ein dreiteiliges Kräftegleichgewicht würde gewährleisten, dass bei unternehmerischen Entscheidungen wirtschaftliche Ziele wie Produktivität und Innovationsfähigkeit durch das private Interesse am Gewinn stimuliert wären. Umweltverträglichkeit der Produktion und gesamtwirtschaftliche Ziele nach strukturpolitischen, konjunkturellen und sonstigen volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten wären durch das staatliche Kapital vertreten und Ziele der Humanisierung des Arbeitsprozesses würden von den Arbeitnehmer-Vertretern eingebracht werden, entweder über gesetzliche Mitbestimmungsrechte oder über Belegschaftsanteile. Gregor Gysi: „Jedes Eigentum erzeugt andere Interessen, so dass über gesicherte Proportionen auch ein Interessenausgleich hergestellt werden kann“ ( Wir brauchen einen dritten Weg, Hamburg 1990 S.15).

So wäre ein mittelfristiges Ziel zu beschreiben, Großunternehmen so umzugestalten, dass eine ausgewogener Interessenausgleich entsteht. Das wäre noch keine Überwindung des Kapitalismus, aber eine Form der Vergesellschaftung, die einer hier und heute vorstellbaren Übergangsetappe entspricht.

Hans-Henning Adler

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2019-12-18T16:00:51+00:00