Wie geht linke Migrationspolitik?

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Wie geht linke Migrationspolitik?

Dem BSW hat das Abstimmungsverhalten im Bundestag geschadet

Das Ergebnis des „Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) bei der Bundestagswahl war enttäuschend, unabhängig davon, ob es nun 4,98 %, oder vielleicht noch etwas mehr sind, Das wird sich wohl erst nach Abschluss des Wahlprüfungsverfahrens durch den neuen Bundestag feststellen lassen.

Hierzu muss auch angemerkt werden, dass eine neue Partei bei einer Bundestagswahl noch nie im ersten Anlauf die Fünfprozenthürde übersprungen hat. Immerhin hatte das BSW bei der Bundestagswahl 2025 2.472.947 Stimmen erreicht – mehr als bei der Europawahl 2024 und auch über 200.000 Stimmen mehr als bei der Bundestagswahl 2021 Die Linke gewählt hatten.

Eine Partei hat dann eine Chance, sich dauerhaft im Parteienspektrum zu etablieren und die Fünfprozenthürde zu überspringen, wenn sie ein Politikangebot unterbreitet, für das die anderen Parteien eine Lücke hinterlassen haben, und wenn diese Partei keine schwerwiegenden Fehler macht. Die erste Voraussetzung ist beim BSW erfüllt, vor allem durch seine Positionen in der Friedensfrage. das erklärt auch sein gutes Abschneiden bei den bisherigen Wahlen zum Europaparlament mit 6,2 Prozent und bei ostdeutschen Landtagen im zweistelligen Bereich. Umgekehrt zeigt das Ergebnis von Volt mit 0,7 Prozent der Stimmabgabe bei der Bundestagswahl, dass für diese Partei gar kein Bedürfnis besteht, weil deren politische Aussagen sich ja auch schon in der Politik der anderen Parteien wiederfinden.

Das Verhalten der Partei Die Linke in der Friedensfrage, speziell die Zustimmung ihrer Vertreter in den Koalitionsregierungen in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat zu den mit einer Verfassungsänderung verbundenen „Kriegskrediten“ unterstreicht einmal mehr, dass diese Lücke nach wie vor besteht.

Das BSW hat aber kurz vor der Bundestagswahl bei den Abstimmungen zu dem Fünf-Punkte-Plan von Friedrich Merz am 28.01. und am 31.01.2025 zum sogenannten „Zustrombegrenzungsgesetz“ einen schweren Fehler gemacht. Der führte im Ergebnis zu einem Stimmenergebnis erreicht hat, das den Erwartungen nicht entsprach. Was hat sich grundlegend geändert im Verhältnis zur LINKEN, die bei der Europawahl nur auf 2,7 % kam, bei der Bundestagswahl aber 8,8 Prozent erreichte?

Es gibt dafür sicherlich mehrere Gründe, genannt wird die Regierungsbeteiligung in Thüringen, wo die Partei zusammen mit der CDU regiert. Man kann auch auf die ziemlich nichtssagenden Plakate verweisen, die mit Losungen wie „mehr Sicherheit“ oder „Kompetenz“ nicht gerade Alleinstellungsmerkmale gezeigt hatten. Soziale Themen wurden nicht so in den Vordergrund gestellt, wie es eigentlich notwendig gewesen wäre.

Solche Faktoren mögen die eine oder andere Ziffer hinter dem Komma erklären, die letztlich gefehlt hat. Was im Vergleich zur Stimmabgabe für Die Linke aber als entscheidender politischer Fehler bewertet werden muss, ist wohl die Stimmabgabe im Bundestag zum Fünf-Punkte-Plan von Merz zur Migrationspolitik am 28. Januar kurz vor der Wahl. Sie hat dazu geführt , dass das BSW nicht mehr als Partei der linken Hälfte des Parlament wahrgenommen wurde sondern als Partei, die im neu gebildeten Abstimmungsbündnis von CDU/CSU, FDP und AfD mitmacht.

Bei der Abstimmung zu dem Fünf-Punkte-Plan von Merzvom am 28.01.25 wurden Forderungen erhoben wie der „Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze unabhängig davon, ob sie ein Schutzgesuch stellen oder nicht“. Das widersprach eindeutig dem EU-Recht, der Genfer Flüchtlingskonvention, dem Dublin-Abkommen und dem Grundgesetz. Darauf ist mehrfach hingewiesen worden.

Hierzu hatte Sahra Wagenknecht laut NWZ vom 25.01.25 sogar erklärt, dass die BSW-Gruppe dem CDU/CSU-Antrag, von dem bekannt war, dass er nur mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit finden kann, zustimmen würde. Als dann verschiedene Protesterklärungen bei der Bundestagsgruppe eintrafen und es intern auch Diskussionen gegeben hatte, entschied sich die Gruppe mit Enthaltung abzustimmen. Ein „Nein“ zog die Gruppe nicht in Betracht, weil im Bundestagswahlprogramm des BSW ja auch teilweise das gestanden hatte, was jetzt in dem Merz-Papier zu lesen war. Dort stand nämlich:

Wer aus einem sicheren Drittstaat einreist, hat kein Recht auf Aufenthalt. Wer kein Recht auf Aufenthalt hat, hat keinen Anspruch auf ein Asylverfahren und auch keinen Anspruch auf soziale Leistungen.“ (Bundestagswahlprogramm S. 35f.)

Genau so hatte auch Merz argumentiert, der dann auch noch meinte sich auf Art.16 a des Grundgesetzes berufen zu können. Er hatte sich gegen den Vorwurf der Rechtswidrigkeit seines Fünf-Punkte-Planes mit dem Argument gewehrt, Artikel 16a Abs. 2 des Grundgesetzes würde doch ausdrücklich regeln, dass sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen könne, wer aus einem sicheren Drittstaat einreise, also aus einem der Nachbarstaaten der Bundesrepublik. Wenn man mit Art. 16 a des Grundgesetzes argumentiert und behauptet, dass die aus sicheren Drittstaaten kommenden Asylsuchenden gar nicht einreisen dürfen, dann muss man den Art. 16 a des Grundgesetzes aber auch zu Ende lesen.

Dort gibt es nämlich noch den Absatz 5, der den rechtlichen Vorrang völkerrechtlicher Verträge der EU normiert. Dazu gehört u.a. auch das Dubliner Abkommen. Nach dessen Artikel 3 wird das Verfahren zur Überprüfung des Schutzgesuches zunächst einmal in dem Mitgliedstaat eingeleitet, in dem sich die Asylsuchenden melden. Hieraus folgt: Erst wenn in diesem Prüfungsverfahren entschieden worden ist, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, kann nach dem Dublin-Verfahren in das zuständige Land der EU abgeschoben werden, vorher nicht.

Deshalb ist auch ein Zurückweisen an der Grenze vor Abschluss dieses Vorprüfungsverfahrens zum Asylgesuch rechtlich gar nicht möglich. Wenn die betreffenden Schutzsuchenden dann innerhalb von sechs Monaten nicht in das zuständige Land verbracht worden sind, entsteht nach dem Dubliner Abkommen eine sekundäre Zuständigkeit der deutschen Behörden. Der Antrag von Merz sollte davon ablenken, dass die Täter von Solingen und Aschaffenburg auf Grund eines Vollzugsdefizits der beteiligten Bundesländer noch in Deutschland waren und dann nach sechs Monaten die deutschen Stellen zuständig wurden. Aschaffenburg liegt in Bayern! Das hätte in den Mittelpunkt einer Kritik an dem CDU/CSU-Antrag gestellt werden müssen.

Aus den verschiedenen Interviews, die Sahra Wagenknecht gegeben hatte, geht hervor, dass sie bei der Materie, von der sie sprach, schlecht beraten war. So hatte sie mehrfach erklärt, in Deutschland würden doch nur 1 oder 2 Prozent der Asylsuchenden anerkannt. So ist es auch im Landtagswahlprogramm des BSW in Bandenburg nachzulesen. Diese Zahl zu nennen, ist aber ausgesprochen irreführend.

Auf der Seite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kann man für 2024 nachlesen (Das Bundesamt 2024 Asyl S. 38 Tabelle 1-10):

Insgesamt gab es 301.350 Asylanträge, davon

– als asylberechtigt anerkannt: 0,7 Prozent (das hängt damit zusammen, dass nur politisch Verfolgte, die mit dem Flugzeug kommen, hier erfasst sind – wegen der Regelung, wonach Deutschland von sicheren Staaten umgeben ist)

– als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt: 12,5 Prozent ( das sind politisch Verfolgte! Sie haben den gleichen Rechtsstatus wie Asylberechtigte)

– als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt: 24,9 Prozent ( das sind hauptsächlich Bürgerkriegsflüchtlinge – vorwiegend aus Syrien)

– Schutzberechtigte nach § 60 Abs. 5 und 7 AufhG: 6,9 Prozent (Fälle, bei denen individuell eine besondere Gefahrenlage festgestellt wurde)

– abgelehnte Fälle: 30,5 Prozent

– als unzulässig abgelehnte Fälle: 25,1 Prozent (das sind Fälle, wo festgestellt wurde, dass ein anderes Land des Dubliner Abkommens zuständig ist, sog „Dublin-Fälle“).

Wenn man nur die wenigen Asylsuchenden nennt, die mit falschem Pass im Flugzeug gekommen sind (anders geht es ja gar nicht) und dann anerkannt werden, und dann aber gleichzeitig unterschlägt, dass 12,5 Przent, die auf dem Landweg – also über sichere Drittstaaten – gekommen sind, als Flüchtlinge anerkannt wurden, dann wird ein falscher Eindruck erweckt, weil zwischen den Asylberechtigten und den anerkannten Flüchtlingen praktisch gar kein Unterschied besteht. Menschen aus beiden Gruppen werden anerkannt, wenn sie politisch verfolgt sind.

Der Fehler, der dem BSW-Abstimmungsverhalten im Bundestag zu dem Fünf-Punkte-Plan der Unions-Parteien zugrunde lag, war bereits mit dem am 12.Januar 2025 verabschiedeten Wahlprogramm gemacht worden. Hier ist allerdings hinzuzufügen, dass ich zu diesem Passus einen Änderungsantrag eingebracht hatte, der von der Antragskommission nicht berücksichtigt und damit dem Parteitag zur Behandlung gar nicht überwiesen wurde. Zur Begründung war mir gesagt worden, dass das „nur juristische Fragen“ seien. Wie politisch das jedoch werden konnte, hat man dann an dem Fünf-Punkte-Plan von Merz gesehen, zu dem sich die Gruppe dann nur zu einer Enthaltung durchringen konnte, obwohl ein deutliches Nein angesagt gewesen wäre. Der Entschließungsantrag hätte dann auch keine Mehrheit gehabt.

In der hier kritisierten Passage im BSW-Wahlprogramm steht ja tatsächlich, dass derjenige kein Recht auf ein Asylverfahren hat, der aus einem sicheren Drittstaat einreist und weiter: „Wer kein Recht auf Aufenthalt hat, hat keinen Anspruch auf ein Asylverfahren und auch keinen Anspruch auf soziale Leistungen.“

Dass ein einreisender Flüchtling nach Ar.t 16a Abs. 5 des Grundgesetzes und den damit verbundenen völkerrechtlichen Regeln einen Anspruch darauf hat, dass sein Asylbegehren von den deutschen Behörden zunächst einmal geprüft wird, ist bereits dargelegt worden. Dazu gehört natürlich auch ein Anspruch auf soziale Leistungen, solange das Verfahren noch läuft. Das gebietet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Art. 1 des Grundgesetzes, also der Schutz der Menschenwürde.

Im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (1BvL 3/21) vom 19.10.2022 heißt es dazu im erster Leitsatz: „Der Anspruch erstreckt sich auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Diese Sozialleistungen müssen fortlaufend realitätsgerecht bemessen werden“. Und unter Ziff. 56 heißt es weiter:

Migrationspolitische Erwägungen, Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren (vgl. BVerfGE 132, 134 <173 Rn. 95>; vgl. auch BVerfGE 152, 68 <114 Rn. 120>).“ Ein vollständiger Ausschluss von sozialen Leistungen ist deshalb gar nicht möglich.

Als es dann am 31.Januar 2025 zur Abstimmung über das „Zustrombegrenzungsgesetz“ kam, war die Diskussion über das, was eigentlich abgestimmt wurde, schon längst überlagert von der Debatte, ob die „Brandmauer“ gegenüber der AfD hält. Dies hätte die BSW-Gruppe erkennen müssen und nicht einfach mit „Ja“ stimmen dürfen. Eine eigenständige Position in der Migrationspolitik, die sich von CDU/CSU/FDP/AfD ebenso abgrenzt wie von der Position der LINKEN (offene Grenzen für alle) wurde nicht erkennbar. Immerhin haben drei von zehn Abgeordneten an der Abstimmung nicht teilgenommen, das half aber nichts mehr, weil der Schaden bereits angerichtet und der Eindruck entstanden war, das BSW würde mit den Rechten von CDU/CSU und AfD in der Migrationspolitik gemeinsame Sache machen.

In der Sache ging es bei dem Gesetz hauptsächlich um die Nachzugsmöglichkeiten von Familienangehörigen der subsidiär Schutzberechtigten. Der Nachzug war grundsätzlich sowieso schon ausgeschlossen, wurde bislang aber über eine Härteregelung für maximal 1000 Fälle pro Monat erlaubt. Er betraf im Wesentlichen Ehefrauen und Kinder der Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien. Aus dieser Gruppe waren aber aller Wahrscheinlichkeit nach keine Attentäter zu erwarten. Es ging hier allein um eine humanitäre Frage und letztlich auch um die Integration der hier aufgenommenen subsidiär Schutzberechtigten, die natürlich zusammen mit ihren Familienangehörigen hier viel besser gelingen kann.

Das BSW sollte sich aus meiner Sicht schon von den doch ziemlich weltfremden Positionen der LINKEN zum Thema Migration absetzen. In deren Parteiprogramm steht auf Seite 52 „Wir fordern offene Grenzen für alle Menschen“ und im Wahlprogramm 2021: „Bleiberecht für alle“ (S. 12). „Geflüchtete müssen unabhängig von ihrer Herkunft schneller und unbürokratischer aufgenommen werden. Dass das möglich ist, sieht man am Umgang mit den Geflüchteten aus der Ukraine. Dieser Umgang muss für alle Geflüchteten gelten“ heißt es auf Seite 67 des Europawahlprogramms 2024. Und im Bundestagswahlprogramm 2025 steht: „Wir fordern, dass alle Geflüchteten ab dem Tag ihrer Ankunft in Deutschland eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis erhalten.“ (S.52) Weiter auf S. 54: „Auch Migration aus sozialen und wirtschaftlichen Motiven ist ein legitimes individuelles Bedürfnis“ (S. 54) Weiter fordert die Partei „Legalisierungsmöglichkeiten für Menschen ohne Aufenthaltsstatus“ (S.53), was man so zusammenfassen kann, dass jede und jeder kommen, hier ab sofort arbeiten und bleiben kann und dass das Ergebnis des Asylverfahrens eigentlich egal ist, weil auch der Status eines abgelehnten Asylsuchenden zu legalisieren sei.

Ralf Krämer und Andreas Grünwald fordern in der Online-Ausgabe der Wochenzeitung „Freitag“ vom 07.03.25 „eine konsistente Strategie, welche sowohl sozialpolitisch als auch migrationspolitisch überzeugt und die zudem über die Friedensfrage auch die Fluchtursachen zum Thema macht.“ Eine solche Strategie muss bei der Frage der Migration Wege aufzeichnen, wie die sozialen Interessen der heimischen Bevölkerung mit denen, die aus berechtigten Gründen zu uns kommen, und natürlich auch denen, die wir als Zuwanderer hier benötigen, in ein ausgewogenes Verhältnis bringt. Deshalb muss Migration reguliert werden. Kein Land der Erde bietet eine unbegrenzte Einwanderung an. Wenn – wie bei uns – Einwanderung zum größten Teil über den Weg des Asylverfahrens unreguliert läuft, dann müssen Mechanismen gefunden werden, die politisch Verfolgte, Kriegsflüchtlinge und solche, die aus dringenden humanitären Gründen ein Bleiberecht erhalten sollten, von denen unterscheidet, die aus den Mittelschichten der Entwicklungsländer kommen und sich bei uns bessere Erwerbsbedingungen erhoffen.

Diese Mechanismen bestehen ja im Grunde schon im zweistufigen Prüfungsverfahren, das in der ersten Stufe feststellt, welches europäische Land für die Entscheidung über das Asylbegehren zuständig ist und in der zweiten Stufe die Berechtigung zur Flucht auf Grund einer Würdigung des vorgetragenen Verfolgungsschicksals feststellt. Dieses Verfahren darf nicht mit rechtsstaatlich fragwürdigen Methoden abgeschnitten werden. Das muss die klare Botschaft einer Partei sein, die sich links von CDU/CSU, FDP und AfD aufstellt. Das humanitäre Grundanliegen des BSW hätte nicht durch ein Abstimmungsverhalten im Bundestag in Frage gestellt werden dürfen. Dieses verhalten hat das BSW in den Augen der Öffentlichkeit zum Komplizen einer menschenverachtenden Koalition der Rechtsparteien gemacht hat.

Das Hauptproblem des bisherigen Verfahrens besteht in der Verfahrensdauer sowohl in der ersten wie in der zweiten Stufe. Wenn sich die Verfahren über mehrere Jahre hinziehen, entstehen natürlich Integrationstatbestände, sodass am Ende nach einer rechtskräftigen Ablehnung der Gesuche eine Rückführung ins Herkunftsland gar nicht mehr möglich ist, weil eine hinreichende „Verwurzelung“ in die hiesigen Lebensverhältnisse stattgefunden hat, wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EUGH MR) formuliert hat. Diese Rechtsprechung ist überhaupt nicht zu kritisieren, weil eine Abschiebung natürlich irgendwann nicht mehr zu vertreten ist, z.B. wenn Kinder von Geflüchteten in der Zwischenzeit hier geboren worden sind, in den Kindergarten oder zur Schule gehen und die Betroffenen über die Jahre die deutsche Sprache erlernt haben und in den Arbeitsprozess integriert wurden.

Eine wirksame Regulation eigentlich unberechtigter Migration ( ob sie „illegal“ ist, stellt sich ja meist erst nach mehreren Jahren heraus) kann deshalb nur über eine Beschleunigung der Prüfungsverfahren erfolgen. Das würde eine deutliche personelle Aufstockung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der Ausländerbehörden und vor allem auch der Richterstellen bei den Verwaltungsgerichten erfordern. Dafür sind die Länder zuständig.

Wohin wird sich das BSW entwickeln? Wird es eine selbstkritische Aufarbeitung des Wahlkampfes zur Bundestagswahl und des Abstimmungsverhaltens im Bundestag kurz vor dem Wahlsonntag geben? Wird sich die Partei als im weiteren Sinne „Links stehend“ begreifen oder wird sie sich da positionieren, wo die Landesvorsitzende von Sachsen, Sabine Zimmermann, sie gerne sähe, nämlich laut Leipziger-Volkszeitung vom 21.04.2024 links von der CDU und rechts von der SPD. Sie hatte in dem Interview tatsächlich gesagt:

Wenn ich eine Einordnung vornehmen soll, dann die Mitte: links der CDU, rechts der SPD.“

Sie hätte mal besser nachlesen sollen, was Oskar Lafontaine schon 2002 dazu geschrieben hat: „Die Parteien tun sich mit ihrem Beharren auf dem inhaltsleeren Begriff der Mitte keinen Gefallen. Wer in Deutschland die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner vertritt und bei dieser Wählergruppe glaubwürdig bleibt, hat immer die Mehrheit. Und es gibt noch genügend Unternehmer, die wissen, ohne zahlungsfähige Kunden kann man keine Geschäfte machen.“ (Die Wut wächst, München 2002, S. 10f) Und an anderer Stelle sogar in einem Buchtitel: „Das Herz schlägt links“ (München 1999).

Wird das BSW sich an das erinnern, was in dem auf dem Gründungsparteitag beschlossenen Parteiprogramm steht und was bei verständiger Lesart nur als linke, eigentlich auch als sozialistische Zielsetzung wahrgenommen werden kann:

Eine Gesellschaft, deren mächtigste Akteure nur noch von der Motivation getrieben sind,

aus Geld mehr Geld zu machen, führt zu wachsender Ungleichheit, zur Zerstörung

unserer natürlichen Lebensgrundlagen und zu Krieg. Wir setzen dem unsere Ideen von

Gemeinsinn, Verantwortung und Miteinander entgegen, denen wir durch Veränderung der

Machtverhältnisse wieder eine Chance geben möchten. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der das Gemeinwohl höher steht als egoistische Interessen und in der nicht Trickser und

Spieler gewinnen, sondern diejenigen, die sich anstrengen und gute, ehrliche und solide

Arbeit leisten.“

2025-05-31T08:14:59+00:00