Zum Jahrestag des Völkermordes im Shegal-Gebiet

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Zum Jahrestag des Völkermordes im Shegal-Gebiet

Rede auf dem Schlossplatz in Oldenburg am 03.08.2020

Liebe Oldenburgerinnen und Oldenburger,

am 03.08.2014 ereignete sich der Überfall auf das kurdisch-yezidische Siedlungsgebiet Shingal im Nordern des Iraks, verübt von den Terroristen des sogenannten „Islamischen Staates“. Dabei wurden 5.000 Männer getötet, tausende Frauen und Kinder aus den Dörfern verschleppt und vergewaltigt, als Sklavinnen verkauft oder getötet. 2.000 Yeziden gelten bis heute als vermisst. An dieses schreckliche Ereignis wollen wir nach sechs Jahren erinnern.

Da sich der Terror des IS auch ganz besonders gegen Frauen richtete, denen das Recht auf ein selbstbestimmes Leben abgesprochen wird, sprechen wir hier nicht nur von einem Genozid sondern auch von einem Feminizid.

Erstaunlich ist, dass sechs Jahre später bereits 2.200 Familien in das Gebiet zurück gekehrt sind. Die Rückkehrer sind sehr risikobereit, weil die Siedlungen nicht nur zerstört sind, das Land ist auch mit Landminen verseucht. Bewundernswert ist wie die Menschen ihre Heimat lieben und alles Zerstörte wieder aufbauen wollen.

Um so schlimmer ist das, was in der Nacht vom 14.06. auf den 15.06. dieses Jahres geschah. 20 türkische Kampfjets haben die Region Shingal bombardiert. Die Zurückgekehrten leben deshalb wieder in Angst. Diese türkische Offensive, genannt Operation „Adlerkralle“ fand rund 100 Kilometer südlich von der türkischen Grenze auf irakischem Gebiet statt. Gerade einen Tag vorher waren gerade 150 vorher vertriebene Familien in das Shingal-Gebiet zurückgekehrt. Die türkische Regierung setzt mit dieser Aggression den Genozid von 2014 mit anderen Mitteln fort. Anders kann man das nicht bezeichnen.

Es wurde das Flüchtlingslager in Machmur angegriffen. Die Orte Sardasht und Khanaso wurden mehrfach bombardiert.

Das Ganze geschah unter dem Vorwand, die PKK zu bekämpfen. Wenn die türkische Regierung aber PKK sagt, meint sie die kurdische Bevölkerung überhaupt, egal ob sie sich nun auf türkischem, syrischen oder irakischem Territorium befindet.

Wir erinnern uns gut: Das Massaker an der yezidischen Bevölkerung in Shingal wurde erst durch das Einschreiten der Einheiten der YPG und der YPJ beendet, also gerade der kurdischen Einheiten, die von der türkischen Regierung als PKK- beeinflusst bezeichnet werden. Sie konnten einen Fluchtkorridor nach Rojava errichten, der hunderte Tausend das Leben rettete.

Und was tut die Bundesregierung ? Bundesaußenminister Maaß plaudert mit dem türkischem Außenminister Cavusoglu über den Tourismus, statt die Menschenrechtsverletzungen und die Verletzungen des Völkerrechts zu thematisieren, aber das ist ja nicht neu.

2018 hatte der erste Probefall stattgefunden, als türkische Panzer die Grenze nach Syrien überschritten hatten und das Gebiet um Afrin in Besitz nahmen. Diese Völkerrechtsverletzung blieb folgenlos. Dadurch ermutigt, kam es ein Jahr später zu einer neuen Aggression Anfang 2019, die zwar von der Bundesregierung verurteilt worden ist, irgendwelche Sanktionen deswegen hat es aber nicht gegeben.

Was lernen wir daraus ? Bei Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts kommt es immer darauf an, ob diese Rechtsbrüche von einem Nato-Staat verübt worden ist. Wenn das der Fall ist, bleibt es natürlich sanktionslos und wird nur verbal verurteilt.

Als Russland die Krim in das eigene Staatsgebiet eingegliedert hatte, löste dies bei den westlichen Staaten Empörung aus und zog Wirtschaftssanktionen nach sich, die bis heute anhalten, obwohl die Bevölkerung der Krim diese Annektion mehrheitlich begrüßt hatte. Ganz anders die Politik Erdogans, der weite Teile zu Syrien gehörende Gebiete gegen den Willen der dort lebenden Menschen annektiert hatte und hierbei gewaltsam vorgegangen war mit deutschen Panzern, hergestellt bei der Firma Rheinmetall. Wahrscheinlich erklärt das auch die halbherzigen Verurteilungen durch die Bundesregierung.

Welche Kontrolle gibt es überhaupt über Rüstungsexporte ? In Wirklichkeit überhaupt keine. Deutsche Waffen werden sogar für völkerrechtswidrige Aggressionen bereitgestellt.

Die Schlussfolgerung kann doch nur sein: Rüstungsexporte müssen überhaupt verboten werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Töten von Frauen, Kindern und Männern das Dividenden-Polster deutscher Aktionäre erhöht oder sie sich an steigenden Aktienkursen erfreuen können.

Wir brauchen eine völlig neue deutsche Außenpolitik, die Rüstungsexporte überhaupt verbietet, sich tatsächlich an den Normen des Völkerrechts orientiert, sich der Abrüstung verschreibt und in der Außenpolitik auf Frieden und Ausgleich setzt.

Hans-Henning Adler

Mitglied des Stadtrates von Oldenburg und des Landesvorstandes Niedersachsen der LINKEN

2020-08-04T00:30:12+00:00