Ein fiktives Interview zu Toepffers NWZ-Äußerungen zu „windigen Anwälten“

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Ein fiktives Interview zu Toepffers NWZ-Äußerungen zu „windigen Anwälten“

Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag von Niedersachsen, Dirk Toepffer, hatte der NWZ am 12.01.2018 ein Interview geggeben, in dem er von „windigen Anwälten“ in Asylverfahren spricht, konsequentere Abschiebungen fordert und Flüchtlingsorganisationen kritisiert,die bei Abschiebungen aktiv werden. Der NWZ wurde das nachfolgende Interview angeboten. Sie hat den Abdruck abgelehnt, weil der Verfasser sich selbst die Fragen gestellt hatte. Dies stimmt zwar, die NWZ übersieht dabei aber, dass die Fragestellungen durchaus so waren, wie sie ein NWZ-Redakteur hätte stellen können, also durchaus kritisch gegenüber dem Interviweten:

 

Zeitung: Herr Adler, Sie sind seit Jahren als Anwalt in Asylverfahren tätig. Gehören Sie zu den „windigen Anwälten“, von denen der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag, Dirk Toepffer, in einem NWZ-Interview spricht und denen er „Verzögerungstaktiken“ vorwirft?

Adler: Die angesprochenen Verzögerungen haben nichts mit den Anwälten zu tun sondern damit, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sehr lange für seine Entscheidungen braucht und die Verwaltungsgerichte nicht ausreichend besetzt sind. Und was heißt „windige Anwälte“? Ein Anwalt versucht für seinen Mandanten das Beste herauszuholen und bedient sich dabei ausschließlich rechtsstaatlicher Mittel. Mit der Logik könnte man auch Strafverteidiger zu Komplizen von Straftätern machen und selbst verfolgen, was in Staaten ohne Rechtsstaatlichkeit, wie z.B. der Türkei, ja regelmäßig geschieht. Mit solchen pauschalen Vorwürfen beschädigt Töpfer das Ansehen der Anwaltschaft insgesamt ähnlich wie Gerhard Schröder, der Lehrer mal pauschal als „faule Säcke“ bezeichnet hatte.

Zeitung: Aber gibt es nicht in jeder Berufsgruppe „schwarze Schafe“, die auch rechtliche Grenzen überschreiten?

Adler: Natürlich, aber nicht mehr als in anderen Berufsgruppen auch. Warum werden jetzt ausgerechnet Anwälte an den Pranger gestellt, die sich für die Schwächsten der Schwachen einsetzen? Ich habe übrigens noch nie gehört, dass man die Anwälte als „windig“ bezeichnet, die bei den Ex-cum-Geschäften mitgewirkt haben, bei denen der Staat um Milliarden hinterzogener Steuern betrogen wurde.

Zeitung: Herr Toepffer kündigt an, die Möglichkeiten der Abschiebung jetzt wesentlich konsequenter zu nutzen. Sollte man da nicht mehr tun?

Adler: Herr Toepffer macht hier auf Entschlossenheit, ohne sich mit den tatsächlichen Problemen auseinanderzusetzen. Weltweit gibt es nach Angaben des UNHCR 65,6 Millionen Menschen auf der Flucht vor politischer Verfolgung und Krieg. Hinzu kommen dann noch ca. 20 Millionen Klimaflüchtlinge und dann auch noch solche Menschen, die wegen sozialem Ausschluss, also völliger Perspektivlosigkeit in ihrem Heimatland, fliehen. Die Wenigsten davon kommen überhaupt bis nach Europa und noch weniger nach Deutschland. Verantwortlich für diese Entwicklungen ist eine aus den Fugen geratene Welt mit einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung. Da werden z.B. den Ländern Afrikas Freihandelsabkommen aufgezwungen, die deutsche Lebensmittelexporte begünstigen, diesen Ländern aber nicht erlauben, ihre eigene Wirtschaft und damit die Arbeitsplätze in diesen Ländern zu schützen.

Zeitung: Aber wir können doch nicht alle Menschen, die davon betroffen sind, aufnehmen, bis diese Probleme gelöst sind?

Adler: Das tun wir ja schon jetzt nicht. Aber Abschiebungen sind nicht so einfach wie sich das Politiker, die gern markige Worte gebrauchen, vorstellen: Kein Staat der Welt muss Flüchtlinge aufnehmen, deren Staatsangehörigkeit nicht durch einen Pass oder ein von diesem Staat ausgestelltes Passersatzpapier geklärt ist. Viele Flüchtlinge kommen aber ohne Pass. Die Bereitschaft der vermeintlichen Herkunftsstaaten an den geplanten Abschiebungen mitzuwirken, ist manchmal nicht stark ausgeprägt, was ich verstehen kann. Denken Sie z.B. an den Libanon, der zur Zeit mit Millionen Flüchtlingen aus dem vom Bürgerkrieg erschütterten Syrien wahrlich andere Probleme hat, als in Deutschland untergekommene Flüchtlinge aus dem Libanon aufzunehmen. Diejenigen, die in Folge dieser Probleme dann faktisch hier bleiben, weil sie gar nicht abgeschoben werden können, erhalten dann sogenannte Duldungen.

Zeitung: Aber Duldung bedeutet doch nur Aussetzung der Abschiebung? Hat Herr Toepffer nicht Recht, wenn er Flüchtlingsorganisationen und Helfer kritisiert, die sich bei Abschiebungen der Polizei entgegenstellen?

Zeitung: Duldungen werden meist nur für wenige Monate ausgestellt, auf Grund der angesprochenen Probleme dann aber immer wieder verlängert, weil den Ausländerbehörden gar nichts anders übrig bleibt. In der Zwischenzeit findet aber eine Integration der betroffenen Menschen in die hiesigen Lebensverhältnisse statt. Flüchtlinge lernen deutsch, finden auch – mit Schwierigkeiten natürlich – Arbeitsplätze, die Flüchtlingskinder gehen zur Schule und auf einmal kommt die Polizei und will eine Abschiebung durchsetzen. Dann gibt es Solidarität mit den Betroffenen. Das kann man doch nicht kritisieren.

Herr Toepffer wie auch andere müssen erkennen, dass wir faktisch ein Einwanderungsland geworden sind und die damit verbundenen Probleme menschenwürdig bearbeiten müssen, statt auf dem Niveau von Donald Trump neue Mauern oder Zäune zu bauen oder so zu tun, als gäbe es durch Fernhalten dieser Menschen oder „Obergrenzen“ eine Lösung dieser Probleme.

2018-01-18T11:55:38+00:00