Am 11. November vor 100 Jahren: Revolution im Oldenburger Land – Sturz der Monarchie der Großherzöge

Startseite/Blog/Am 11. November vor 100 Jahren: Revolution im Oldenburger Land – Sturz der Monarchie der Großherzöge

Am 11. November vor 100 Jahren: Revolution im Oldenburger Land – Sturz der Monarchie der Großherzöge

Wilhelmshaven und Rüstringen waren 1918 Ausgangspunkt für den Aufstand der Matrosen und Werftarbeiter gegen den Krieg und für den Sturz der Monarchie in Deutschland. Die Revolution zog sich dann über das gesamte Deutsche Reich. Ausgangspunkt waren ausgedehnten Befehlsverweigerungen auf verschiedenen Schiffen der vor Wilhelmshaven zusammengezogenen Hochseeflotte.

Der 1. Weltkrieg

Am Anfang des Ersten Weltkrieges im August 1914 fegte noch ein wahrer nationaler Begeisterungssturm über das Deutsche Reich hinweg. Der deutsche Sieg wurde schon zum Ende des Jahres 1914 erwartet. Doch die kriegsbegeisterten Deutschen hatten sich geirrt. Die militärischen Erwartungen wurden enttäuscht. Der Krieg dauerte länger, es kam zu Versorgungsproblemen in Deutschland. Der Gegner war stärker als angenommen. Die Folge waren lange Schlangen vor Lebensmittelgeschäften, in denen es nur wenige Produkte zu überhöhten Preisen zu kaufen gab. Kinder mussten Sammlungen für alle möglichen Ersatzstoffe durchführen und Frauen in Munitionsfabriken arbeiten. Im Jahre 1915 gab es in der Bevölkerung erste Enttäuschungen über den langwierigen, verlustreichen Krieg. 1917 kam es zu ersten Arbeiter-Streiks in Hamburg und im Ruhrgebiet.

Die Rolle des Großherzogs Friedrich August

Der letzte Großherzog von Oldenburg, Friedrich August, gehörte während der 1. Weltkrieges zur Gruppe der „Annexionisten“, die das Deutsche Reich durch Gebietserweiterungen vergrößern wollte. Als 1917 im Reichstag auf Initiative des Zentrum-Abgeordneten Erzberger kontrovers über eine Friedensresolution diskutiert wurde, die immerhin die Einstellung des unbeschränkten U-Boot-Krieges gegen England und die Suche nach einem Verständigungsfrieden zur Folge haben sollte, wandten sich die extrem militaristischen Kräfte, die auch „Alldeutsche“, genannt wurden, dagegen, weil sie von den deutschen Annexionsplänen nicht lassen wollten. Die Annexion Belgiens und die Umgestaltung der europäischen Landkarte mit Frankreich als Vasallenstaat blieben Kriegsziel. Der Großherzog von Oldenburg Friedrich August gehörte zu dieser kriegstreibenden Fraktion.

 

Die letzte Schlacht

Die Seeblockade der Alliierten war unüberwindbar für die deutschen Militaristen geworden. Ab dem 28. Oktober 1918 wurde die gesamte deutsche Kriegsflotte auf Schillig-Reede zusammengezogen. Die Militärführung wollte die in Wilhelmshaven stationierte Flotte zu einer letzten Schlacht gegen die überlegenen englischen Seestreitkräfte einsetzen und mit Ehre und wehenden Fahnen untergehen. Dieser Flottenvorstoß bedrohte das Leben von 80.000 Marinesoldaten. Schon tags zuvor, am 27. Oktober 1918, leisteten Matrosen und Heizer passiven Widerstand und verzögerten das Auslaufen der Schiffe. Zahlreiche Soldaten kehrten nach dem Landgang nicht an Bord zurück. Der Kreuzer „Straßburg“ beispielsweise war gefechtsunfähig, weil 45 Heizer an Land blieben. Auf vielen Schiffen löschten Marinesoldaten die Feuer unter den Kesseln und versuchten, die Schiffe durch Fluten der Ventile zu versenken.

Der Tag der Revolution

Als am Morgen des 30. Oktober der Befehl zum Auslaufen gegeben wird, verweigern die Mannschaften den Befehl zum Ankerlichten. Die Besatzungen der „Thüringen“ und der „Helgoland“ hissen die rote Fahne. Alle Versuche, die Befehlsgewalt der Offiziere wiederherzustellen, scheitern, so dass die Flottenaktion am 31.Oktober endgültig eingestellt werden muss.
Mit einigen Torpedo- und U-Booten gelingt es Regierungstruppen, den Aufstand für einige Tage gewaltsam zu unterdrücken. Mehr als 1.000 Soldaten werden verhaftet und in Bremen-Oslebshausen eingekerkert. Währenddessen kommt es überall in Deutschland zu machtvollen Streiks. Erste Arbeiter- und Soldatenräte werden gebildet.

Das III. Geschwader wurde daraufhin nach Kiel zurückbeordert. Die Kieler Arbeiterschaft plante seit einiger Zeit einen größeren Streik für einen schnellen Friedensabschluss. Matrosen und Arbeiter verbündeten sich. Es kam zu einem allgemeinen Aufstand. Die angeforderten Infanterieverbände erreichten Kiel zu spät und die älteren Soldaten konnten nicht mehr dazu gebracht werden, gewaltsam gegen die Marineangehörigen vorzugehen. Die Arbeiter traten in einen Generalstreik, um einen schnellen Friedensschluss durchzusetzen und um die Matrosen zu unterstützen. Von Kiel aus wurde der Impuls zur Ausbreitung der Unruhen gegeben, die dann zur reichsweiten Novemberrevolution, zum Ende der Monarchie in Deutschland und in der Folge zur Errichtung der Weimarer Republik führten.

Bei dieser Ausweitung der Revolution durch die Matrosen ergab sich ein typisches Schema: Sie kamen meist mit dem Zug, entwaffneten Offiziere, marschierten mit roten Fahnen zu den örtlichen Kasernen, deren Soldaten sich meist anschlossen. Man zog an Fabriken vorbei, deren Beschäftigte sich ebenfalls meist anschlossen. Überall trafen die Marineangehörigen auf revolutionsbereite Menschen. Zusammen marschierte man weiter ins Stadtzentrum, wo man wichtige Verwaltungszentren besetzte, politische Gefangene entließ und Räte wählte.

 

Demonstrationen im Oldenburger Land

Am Morgen des 6. Novembers demonstrieren Zehntausende Matrosen und Soldaten durch Wilhelmshavens Straßen. Werftarbeiter schließen sich ihnen an. Die gefangenen Kameraden werden aus den Arrestanstalten befreit. Verstärkte Polizeitruppen und schwer bewaffnete Militärpersonen schaffen es nicht, die Demonstration zu verhindern. Auf der Massenkundgebung wählen die Arbeiter ihren Arbeiterrat, der sich mit dem vorher gewählten Soldatenrat zusammenschließt. Aus dem Arbeiter- und Soldatenrat wird der 21er-Rat (21 Mitglieder) als engerer Ausschuss gebildet. Dieser wird als oberste Behörde eingesetzt und übernimmt die gesamte vollziehende Gewalt. Als Vorsitzender wird Bernhard Kuhnt, ein ehemaliger Wilhelmshavener Heizer der Kriegsmarine, bestimmt.

Auf einer Kundgebung am 10. November 1918 erklärte Bernhard Kuhnt den Oldenburgischen Großherzog für abgesetzt und rief die „Sozialistische Republik Oldenburg/Ostfriesland“ aus.

Die aufständischen Matrosen aus Wilhelmshaven hatten somit dazu beigetragen, dass der Großherzog dann am 11.11.1918 abdanken musste und das damalige Oldenburger Land Republik wurde.

Nach der Abdankung des Großherzogs übernahm der Maschinenschlosser Bernhard Kuhnt gestützt auf die bewaffnete Macht der revolutionären Matrosen mit Zustimmung des Oldenburger Landtages das Amt des ersten Präsidenten des Freistaates Oldenburg.

Die Befreiung Oldenburgs von der Monarchie erfolgte am selben Tag, an dem das Deutsche Reich kapitulierte und damit die Kamfhandlungen des Ersten Weltkrieges beendet wurden, was der Sehnsucht der Völker Europas nach Frieden entprach. Die Militärs des Kaisers und mit ihm des Oldenburger Großherzogs hatten zuvor Millionen Menschenleben für ihre Weltmachtträume verheizt.

Am 20. Februar 1919 schickt die Reichsregierung Truppen nach Rüstringen und Wilhelmshaven. Der 21er-Rat wird abgesetzt und Bernhard Kuhnt verhaftet. Paul Hug (MSPD) wird als Zivilgouverneur und Reichskommissar eingesetzt.

Die Arbeiter und Soldaten, die im November 1918 gegen Krieg, Imperialismus und Kapitalismus aufstanden, schufen Tatsachen, die bis heute und noch weit in die Zukunft wirken. Die Monarchie verschwand von der Bildfläche in Deutschland wie im Land Oldenburg. Es entstand eine bürgerlich-parlamentarische Demokratie. Demokratische Rechte und Freiheiten, wie z.B. das Recht der Arbeiter auf Betriebsräte, das allgemeine Wahlrecht – inkl. Frauenwahlrecht, Koalitions-, Versammlungs- und Pressefreiheit, der Acht-Stunden-Tag, Kündigungsschutz, Tarifautonomie, Arbeitsgerichtsbarkeit, die Beseitigung feudaler Ordnungen (Landarbeiter- und Gesindeordnung) – all das sind erkämpfte Errungenschaften, die durch die Novemberrevolution Gesetz wurden bzw. zumindest durch die Ereignisse befördert wurden.

Hans-Henning Adler

2018-08-19T13:53:20+00:00