Die Folgen bedenken

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Die Folgen bedenken

Es ist wie beim Schachspiel: Bevor man einen Zug macht, sollte man überlegen, mit welchen Gegenzug der Gegner antworten wird. Wenn man schwere Waffen in die Ukraine liefert, wird Russland wahrscheinlich alles versuchen zu verhindern, dass diese Waffen in die Kampfgebiete der Ostukraine kommen. Deshalb werden Brücken gesprengt, Bahnanlagen bombardiert und die ukrainische Infrastruktur zerstört. Man wird sich der Erkenntnis nicht verschließen können: Wenn die Politik der Waffenlieferungen und Wirtschaftssanktionen nicht in Russland zu einem Militärputsch gegen Putin führt, werden zusätzliche Waffen den Krieg nur verlängern und das menschliche Leid vergrößern, weil Putin eine militärische Niederlage nicht hinnehmen wird.

Die Folgen der Waffenlieferungen gehen aber noch viel weiter: Realistisch betrachtet kann der Krieg nur ein Ende durch einen Waffenstillstand finden, der nur über Verhandlungen vereinbart werden kann. Verhandlungen können aber nur erfolgreich sein, wenn auf beiden Seiten Kompromissbereitschaft besteht. Selensky hat mehrfach erklärt, dass er zu keinerlei territorialen Zugeständnissen bereit ist. Zusätzliche Waffenlieferungen werden ihn in dieser Position bestärken, so dass der Krieg weitergeführt werden wird.

Die Weiterführung des Krieges hat aber katastrophale Folgen vor allem für arme Länder: Der Weizenexport der Ukraine und auch der von Russland sind schon jetzt schwer behindert. Die Klimakatastrophe kann nur durch weltweite Zusammenarbeit verhindert werden. Ein immer mehr eskalierender Krieg macht das unmöglich. Zusammenarbeit gegen die Klimakatastophe schließt aber das größte Land der Erde ein.

Aber auch die reicheren Länder spüren schon jetzt die Folgen des Krieges durch Inflation bei alltäglichen Verbrauchsgütern und natürlich besonders bei den Energiepreisen. Eine Weiterführung des Krieges und der damit verbundenen Sanktionen bei den Energielieferungen setzt die ganze Welt der Gefahr einer wirtschaftlichen Rezession aus.

Wer in dieser Situation Öl ins Feuer gießt, mag moralisch lautere Motive vorbringen, weil er einem Angegriffenen hilft, die Folgen solcher Entscheidungen sind aber verheerend für die Welternährung, das Klima, die politische und wirtschaftliche Stabilität in Europa und letztlich auch für den Weltfrieden. Wenn dieser den Krieg fördernde Kurs nicht endlich beendet wird, werden wir das teuer bezahlen müssen.

Der Einwand gegen diese Position ist bekannt: Ohne Waffenlieferungen und Sanktionen würde man dem Aggressor Recht geben. Wer diesen – auf den ersten Blick nachvollziehbaren – Einwand erhebt, muss sich dann aber auch die Frage gefallen lassen, warum mit diesen Maßstäben bei Angriffskriegen, die von den USA z.B. gegen den Irak oder dem NATO-Partner Türkei gegen Nord-Syrien geführt wurden, keine Sanktionen oder Waffenlieferungen diskutiert wurden.

Das bedeutet: Notwendig ist jetzt eine Umkehr der Politik hin zum Frieden, zur internationalen Zusammenarbeit und ein Ende der Konfrontation. Genau das Gegenteil strebt der neue SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil an. Er will den Satz „Sicherheit in Europa ist nur mit Russland zu erreichen“ aus dem SPD-Grundsatzprogramm streichen.Er trifft damit vielleicht eine momentan bestehende Stimmung, Weitsicht drückt diese Ankündigung aber nicht aus. Auch nach dem Krieg wird Russland ein Teil Europas sein.

Hans-Henning Adler

2022-05-09T11:31:05+00:00