Leserbrief an die NWZ:
Rolf Grösch sieht in seinem Leserbrief nur zwei Möglichkeiten für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine, nämlich die Möglichkeit, dass „Putin diesen Krieg verliert und es innerhalb Russlands zu einem Neuanfang kommt“ oder die Möglichkeit, dass die Ukraine diesen Krieg verliert und es dann in Europa weitere kriegerische Expansionen geben wird. Beide Möglichkeiten sind aber eher unwahrscheinlich, weil eine militärische Niederlage einer Atommacht schwer vorstellbar ist und auch ein Sturz Putins nicht unbedingt bedeuten muss, dass es anschließend in Russland demokratisch zugehen wird. Ein militärischer Sieg Russlands würde die militärische Kraft Russlands so sehr schwächen, dass eine weitere Expansion nicht realistisch ist.
Beim Schachspiel kann eine Partie auch „patt“ enden. Was wir gegenwärtig beobachten können, ist ein Stellungskrieg, bei dem keine der beiden Seiten nennenswerte Vorteile erlangen kann. Ein Krieg kann deshalb auch unentschieden ausgehen, was nach dem bisherigen Kriegsverlauf auch am ehesten wahrscheinlich ist. Ein geschichtliches Beispiel ist der Korea-Krieg. Dort – etwa am 38. Breitengrad – führten die Kriegsparteien einen verlustreichen Stellungskrieg, der nach zweijährigen Verhandlungen unter Fortsetzungen der Kampfhandlungen am 27. Juli 1953 mit einem Waffenstillstandsabkommen beendet wurde, das den Status quo ante weitgehend wiederherstellte. Bis dahin waren 940.000 Soldaten und etwa drei Millionen Zivilisten getötet worden.
Soll man wie in Korea zwei Jahre lang weiterkämpfen, um dann am Ende einen Waffenstillstand herzustellen, der in etwa der Linie entspricht, die man schon zwei Jahre vorher hatte? Warum kann man diesen opferreichen Weg nicht abkürzen und auf beide Seiten einwirken, jetzt einen Waffenstillstand herzustellen und dann in Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen einzutreten? Warum unterstützt die Bundesregierung nicht politische Vorstöße, z.B. des brasilianischen Präsidenten Lula, die in diese Richtung gehen?
Hans-Henning Adler
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