1. Der Blick auf die Menschenrechte in der Corona-Krise ist wichtig. Zu den Menschenrechten zählen aber nicht nur die Freiheitsrechte sondern auch die sozialen Rechte und dazu gehört auch das Recht auf angemessene gesundheitliche Versorgung. Deshalb trifft unsere Kritik an der Privatisierung zahlreicher Krankenhäuser und an den neoliberalen Gesundheitsreformen der letzten Jahre vorangetriebenem Bettenabbau genau ins Schwarze. Es ist auch ein Skandal, dass immer noch nicht genügend Schutzmasken zur Verfügung stehen und die Zahl der Tests hinter dem zurücksteht, was aus epidemiologischer Sicht notwendig wäre und dass Pflegekräfte nach wie vor unzureichend bezahlt werden.
2. Nach dem Infektionsschutzgesetz sind Freiheitseinschränkungen zulässig. Dort steht auch eine Ermächtigung an die Landesregierungen, entsprechende Verordnungen zu erlassen. Diese Ermächtigung wurde allerdings in Niedersachsen in einer Weise umgesetzt, die den grundlegenden Schutz der Grundrechte außer acht lies. Sozialministerin Carola Reimann musste sich hier mehrfach korrigieren. Das galt für das Verbot Blumen und Pflanzen auf den Wochenmärkten zu verkaufen, während es gleichzeitig in Gartencentern und Baumärkten erlaubt war. Das galt für den weitgehende Besuchsverbot in den eigenen vier Wänden und das pauschale Demonstrationsverbot. Hier musste erst das Bundesverfassungsgericht sprechen, bevor sich die Landesregierung hier vorsichtig korrigiert hat. Die Landesregierung muss es offenbar noch lernen: Grundrechte dürfen nur in soweit eingeschränkt werden, wie es zwingend notwendig ist und die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt werden. In Art. 19 Abs. 2 des Grundgesetzes steht: „In keinem Fall darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.“
3. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sind immens. Es gibt staatliche Hilfe für Unternehmen ( wahrscheinlich nach unserer Einschätzung sogar zu wenig), die finanziert werden müssen. Deshalb stellt sich die Frage, wer die Folgen der Krise bezahlen wird. Soll es der Kurzarbeiter tun, dessen Arbeitgeber den Reallohnverlust nicht ausgleicht, oder die Alleinerziehende, die nicht zur Arbeit gehen kann, weil sie keine Unterbringungsmöglichkeit für ihr Kleinkind gefunden hat, nachdem die Kita geschlossen wurde? Oder sollten wir nicht eher den Börsenspekulanten in den Blick nehmen, der mit Leerverkäufen erfolgreich auf sinkende Kurse gewettet hat und so zum Gewinner der Krise geworden ist? Wäre es nicht nahe liegend, die sich jetzt auftuende finanzielle Lücke in den Staatshaushalten durch die Wiederbelebung der Vermögensteuer oder eine Vermögensabgabe zu schließen? Warum wird nicht endlich eine Finanztransaktionssteuer eingeführt und warum werden nicht einmal Leerverkäufe an der Börse verboten?
4. Der Verlauf der Corona-Krise und die Geschichte der staatlichen Maßnahmen zeigt etwas, was wir schon in der Finanzkrise 2008/09 beobachten konnten und was neoliberale Gesundbeter der kapitalistischen Wirtschaftsordnung natürlich nicht wahrhaben wollen: Man kann dieses System einfach nicht sich selbst überlassen. Ohne Eingriffe des Staates funktioniert es nicht. Insofern ist interessant, was z.B. die konservative Nord-West-Zeitung am 18.04.20 geschrieben hat:
Am Beispiel der unter der Corona-Krise besonders leidenden Lufthansa spricht sich der Kommentator Rüdiger zu Klampen dafür aus, Kapitalhilfen in Form von Unternehmensbeteiligungen zu gewähren, für die ein großer staatlicher Fond gebildet wird, „dessen Früchte der Gesellschaft zugutekommen könnten.“ Er nennt als Beispiel den norwegischen Staatsfond Norges. „Aus den Erträgen könnten Innovationen und Gründer systematisch gefördert oder die Rentenlöcher unserer alternden Bevölkerung gestopft werden.“ Diese Überlegungen sind interessant, weil sie zeigen, dass die vorherrschende neoliberale Ideologie, für die Staatsbeteiligungen natürlich Teufelszeug sind, Risse zu bekommen beginnt.
Hans-Henning Adler
Mitglied des Landesvorstands der LINKEN Niedersachsen
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